Andere über die Arbeiten "Das Quadrat ist die bestimmende Größe der Collagen des Berliner Fotografen und Künstlers Horst Hinder. Hunderte quadratische Bildausschnitte verbindet er mit spielerischer Geste zu wiederum quadratischen Collagen. Während seiner „Safaris“ durch Berlin sammelt Hinder meist anonyme Details von Fassaden, Mauern, Böden und Landschaften. Immer wieder mischen sich darunter auch einzelne Wahrzeichen der Stadt, wie der Berliner Fernsehturm oder der Berliner Bär. So entstehen persönliche Stadtlandschaften, die neue Blicke auf Berlin und die Geschichte der Stadt ermöglichen, geschaffen von einem aufmerksamen und feinnervigen Beobachter. Unzählige Facetten Berlins stehen eng und schnell nebeneinander. Horst Hinder hebt Raum und Zeit auf, würfelt alles durcheinander und erzeugt damit ein Panoramabild Berlins, seiner Geschichte und seiner Gegenwart." (Kunsthistorikerin Dr. Simone Kindler)
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Entstehungszeiten
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Berechtigt zum Melden ist, wer die Brandstelle angeben kann*
Meine Geschichte ist die eines Betrachters und Beobachters in Berlin – neben den großen Schauplätzen und inszenierten Veranstaltungen. Die unspektakulären Details ziehen meine Aufmerksamkeit an: eine Schiffsschraube oberhalb des 5. Stockwerks, sechzigjährige verblasste Schriftzüge auf Grabmalrückwänden, ein blauer Orientierungsstreifen für Läufer auf der Straße oder eine einsame Möhre auf dem Kopfsteinpflaster.
Manchmal fehlen Nieten an Stahlbrücken, auf Häuserdächern sind noch Antennen vorhanden, die keine Funktion mehr haben, Parkhausfassaden ähneln einer Klaviatur und als Schatten werden Regenablaufrohre zu langen Nasen. Abgeplatzter Putz regt die Fantasie an, Köpfe aus dem vorletzten Jahrhundert oder Kontinente und Länder, geografische Beschaffenheiten, die sich kaum von Google Earth unterscheiden, werden erkennbar. Das Hineinzoomen ist auch hier möglich. Fassadenfarben gibt es in allen Nuancen, es kann einem schwindelig werden. Licht und Schatten, Spiegelung und Lichtreflexe machen eine Wand lebendig. Die Formen und Strukturen der Hausfassaden tragen ihr Werk dazu bei.
Kombiniert man die so gesehenen Ausschnitte und Details frei zu Collagen, entstehen neue Bilder, die nicht zusammengehören, aber doch zusammen passen: Die Heckflosse eines alten Benz kann sehr gut neben der in Bronze gegossenen Hand von Karl Marx existieren. Weniger politisch: das Tempodrom am Anhalterbahnhof kann formal Gemeinsamkeiten mit der alten Bushaltestelle an der Steglitzer Autobahn haben. Ost- und Westplatte können sich mit links in Form und Farbe vereinigen und zwei Fische am Portal des Strandbades am Wannsee springen so munter wie die Schaufensterfiguren in der Torstraße aussehen.
In Schöneberg gab es bis Mitte September 2009 eine sehr heruntergekommene ehemalige Tankstelle. Demnächst steht hier das schicke Wohnhaus einer Baugemeinschaft. Die Wege im Grunewald bleiben nicht so, wie sie sind. Sie wachsen zu, versanden, werden zur Bewirtschaftung des Waldes planiert oder durch Mountainbiker ausgefahren. Solche Veränderungen sind nicht typisch für Berlin, aber sie passieren hier in großer Vielfalt und Anzahl. Das einzig Stetige könnten mit Fahrradschlössern gesicherte Gieskannen sein.
Berlin ist ein Bildergarten, Erntezeit 365 Tage im Jahr. Ein Kaleidoskop, das sich nach Belieben drehen läßt. Ich habe versucht, das in meinen fotografischen, großformatigen Collagen wiederzugeben.
*So steht es auf den alten Feuermeldern Berlins
(Horst Hinder, 2009)